Gulasch
- EN goulash
- FR goulache
- ES gulash
- IT gulasch, bocconcini
Vielen Leuten gilt Gulasch als Inbegriff der ungarischen Küche, was nicht ganz falsch, doch arg verkürzt ist. Zwar geht Gulasch auf das ungarische Wort gulyás hús (= Rinderhirtenfleisch) zurück, dabei handelt es sich allerdings um eine einfache Suppe aus Fleisch und Zwiebeln, die ab dem Mittelalter zum Alltag magyarischer Rinderhirten gehörte, bevor die Puszta im 19. Jahrhundert allmählich ihre Bedeutung als Lebensraum riesiger Rinderherden verlor. Zu seiner heute gebräuchlichen Form eines geschmorten Fleischragouts mit reichlich Paprika fand Gulasch erst später und ein Stück weiter westlich, namentlich in Österreich. In Buchform findet sich das früheste Gulaschrezept 1819,1 einige Jahre danach taucht dasselbe Rezept dann als »ungarisches Kolaschfleisch« in einem Kochbuch zur Wiener Küche auf.2 Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts breitete sich das Gericht so langsam auch hierzulande aus, der kernig-soldatische Begriff Gulaschkanone ist spätestens seit dem Ersten Weltkrieg geläufig.
Sind die Ungarn deswegen die Angeschmierten? Eher nicht – Österreich und Ungarn sind historisch und kulturell bekanntermaßen eng verbunden, und so wurde das »Gulasch 2.0« kurzerhand reimportiert, aber in pörkölt (= Angeröstetes) umbenannt, um Verwechslungen mit dem angestammten Traditionsgericht zu vermeiden. Nennen wir es also wohlwollend Kulturaustausch.
Die erwähnte Paprikalastigkeit ist ein Resultat der osmanischen Besatzung Ungarns, als die Türken begannen, Paprika im Land anzubauen. Einheimischen war der Anbau strengstens verboten, was sie nicht daran hinderte, es dennoch zu tun und damit ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Die Türken waren irgendwann wieder weg, die Paprika hingegen blieb da und entwickelte sich zur Erfolgsgeschichte für die ungarischen Bauern, die sich als geschickte Züchter und Veredler erwiesen und ausgezeichnete, differenzierte Sorten zustande brachten. Der teure Pfeffer konnte adäquat ersetzt werden und das Geschmacksbild der Paprika kam bald in vielen Teilen der Welt äußerst gut an.
Zutaten und Zubereitung
Gulasch gibt es in zahllosen Varianten. Im historischen Wien wurde zunächst Rinderlungenbraten verwendet, bei uns besser bekannt als Rinderfilet. Da es sich dabei um magerstes Fleisch mit wenig Bindegewebe handelt, wird die Sauce beim Schmoren nicht sämig, sondern muss separat gebunden werden. Erst nach und nach setzte sich die weitaus intelligentere Idee durch, »unedlere« Fleischteile zu verwenden, die billiger sind, stärker binden und geschmort auch besser schmecken: Waden, Schulter, Keule und ähnliches.
Wenn Sie Ihren Metzger ohne nähere Eingrenzung nach Gulasch fragen, nimmt er an, dass Ihnen »gemischtes Gulasch« vorschwebt, das zumindest im Deutschland der Gegenwart als Standard gilt. Er wird Ihnen also eine Mischung aus Rind- und Schweinefleischwürfeln einpacken. Das ist grundsätzlich okay, für meinen Geschmack bietet das Schweinefleisch im Gulasch allerdings keinen Mehrwert. Nicht dass ich das Geringste gegen Schweinefleisch hätte, es taugt eben nur bedingt zum Schmoren und verhält sich vollkommen anders als Rindfleisch. Im fertigen Gericht sind wahlweise die Rindswürfel weich und die vom Schwein zu trocken, oder die vom Schwein in Ordnung, das Rindfleisch indessen zu zäh. Kompatible Garzeiten sind die Ausnahme und Schweinefleisch erreicht beim Schmoren niemals die mürbe Konsistenz des Rinds, die beim Gulasch und anderen Schmorgerichten erst für ausgelassene Stimmung sorgt. Also verlangen Sie besser Rindergulasch oder kaufen Sie ganze Stücke und schneiden sie selbst.
Gemüse
Die beiden kleinsten gemeinsamen Nenner, auf die sich die meisten Rezepte einigen können, sind Zwiebeln und Paprikaschoten. Während die Letzteren am Ende zwar sehr weich, aber noch klar zu erkennen sind, lösen sich die Zwiebeln im Laufe des Schmorprozesses fast auf und tragen nicht nur zur Bindung der Sauce bei, sondern verleihen ihr auch eine besondere Textur. Ich selbst schätze Karotten, die eine eigenwillige Süße ins Gulasch bringen und in geschmortem Zustand unnachahmlich gut schmecken, andere schwören auf Pilze oder Kartoffeln.
Beilagen zum Gulasch
Je südlicher, desto wahrscheinlicher wird das Gulasch von Semmelknödeln begleitet. Genauso gut eignen sich Nudeln, Spätzle, Salzkartoffeln, Kartoffelpüree oder Polenta – also die üblichen Verdächtigen zu Geschmortem. Gremolata aufs Gulasch zu streuen ist zwar nicht stilecht, passt jedoch wunderbar.
- 1 kg Rindfleisch, z. B. Wade, Keule, Schulter oder Hochrippe
- 500 g Zwiebeln
- 500 g rote Paprikschoten
- 150 g Karotten
- 1 – 2 Knoblauchzehen
- 40 g Tomatenmark
- 150 ml trockener, kräftiger Rotwein3
- ca. 150 ml Rinderbrühe oder Wasser
- 1 TL Kreuzkümmel, fein gemörsert
- 2 EL Paprikapulver, edelsüß
- 2 Lorbeerblätter
- Salz, Pfeffer, nach Belieben Chiliflocken oder -paste
- Butterschmalz oder Öl zum Braten
Fleisch in 3 cm große Würfel schneiden. Zwiebeln schälen und fein würfeln, Paprikaschoten entkernen und in 3 × 3 cm große Stücke schneiden, Karotten schälen, längs vierteln oder sechsteln und in 3 cm lange Stücke schneiden, Knoblauch schälen und fein hacken.
Fleischwürfel bei großer Hitze anbraten, bis sie rundum deutlich gebräunt sind (etappenweise, falls nicht alle Würfel nebeneinander Platz finden). Fleisch leicht salzen, aus dem Bräter nehmen und beiseite stellen.
Im Fleischbräter jetzt bei mittlerer Hitze die Zwiebeln braten, bis sie goldgelb sind. Paprikaschoten, Karotten, Knoblauch, Paprikapulver, Kreuzkümmel und Lorbeer zugeben, weitere 5 Minuten braten. Tomatenmark sowie Paprikapulver unterrühren und 2 Minuten mitbraten, dann mit Rotwein ablöschen, alles gut verrühren, leicht salzen und kurz aufkochen lassen.
Die geparkten Fleischwürfel samt dem mittlerweile vermutlich ausgetretenen Fleischsaft zum Gemüse geben und sorgfältig vermengen. Soviel Brühe oder Wasser zugießen, dass der Pegel maximal die halbe Höhe der Fleisch-Gemüse-Mischung erreicht. (Die Flüssigkeit wird im Verlauf des Schmorens zunehmen.)
Hitze runterschalten, dicht schließenden Deckel auflegen und Gulasch je nach Fleisch etwa 1,5 bis 2,5 Stunden schmoren lassen. Es soll keinesfalls entfesselt kochen, sondern höchstens gemächlich blubbern – gute Ergebnisse lassen sich im 130 °C heißen Backofen erzielen. Fertig ist das Gulasch, wenn das Fleisch vollkommen weich ist und mit der Gabel zerteilt werden kann, aber noch nicht zerfällt. Abschmecken mit Salz, Pfeffer und optionaler Chilizugabe.
Wie praktisch alle Schmorgerichte schmeckt auch Gulasch mit jedem Aufwärmen besser.
1 Anonym »Die wirtschaftliche Prager Köchin, welche nach einem eigenem Speiszettel für jeden Tag so zu kochen lehret«, Verlag K. K. Hofbuchdruckerey, Annahof, 1819
2 Anna Dorn »Neuestes Universal- oder: Großes Wiener Kochbuch«, Tendler & von Manstein, Wien, 1827
3 Der Wein ist kein Muss. Nehmen Sie stattdessen Brühe oder Wasser, falls Kinder mitessen oder Sie aus anderen Gründen keinen Alkohol drin haben möchten.
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1 Kommentar
Sophia # 1 – 25.01.23, 17:54 Uhr
Ochse, Färse oder Bulle…
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