Vanille
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- IT vaniglia
Man sieht es der Vanille nicht auf den ersten Blick an, dass sie Teil einer Orchideenpflanze ist, genauer deren Samenkapsel, die umgangssprachlich Schote genannt wird und fraglos zu den aufregendsten Gewürzen der Welt zählt. Im Gewürzhandel sind zwei Arten von Bedeutung, zum einen Gewürzvanille oder Echte Vanille (Vanilla planifolia) besser bekannt als Bourbon-Vanille,1 zum anderen Tahiti-Vanille (Vanilla tahitensis), die netterweise ohne Synonyme auskommt. Tahiti-Vanille gilt vielen als überlegene Qualität, ihr Produktionsaufwand ist höher und die Ertragsmenge geringer als die der Bourbon-Vanille, weswegen sie meist auch teurer ist.
Legen Sie Vertreter beider Arten nebeneinander, sind sie leicht zu unterscheiden. Tahiti-Vanille ist länger, dicker und praller, weil die Schoten bis zur Vollreife an der Orchidee bleiben, während Bourbon-Vanille früher geerntet, dann getrocknet und fermentiert wird, sodass sie kürzer, dünner und knorriger ausfällt. Wenn Sie nach dem maximalen Vanille-Erlebnis trachten, kaufen Sie ganze Schoten – probieren Sie ruhig beide Sorten aus, vielleicht schmeckt Ihnen die eine besser als die andere. Die Schoten werden in aller Regel einzeln oder zu zweit in dünnen Glasröhrchen verkauft.
Ihr Gewürzhändler führt mit einiger Sicherheit auch Vanillepulver. Dabei handelt es sich um gemahlene Schoten samt Mark, was sowohl die Anwendung als auch die Dosierung vereinfacht. Das Pulver ist ganz okay, hält dem Vergleich mit »frischen« Schoten aber nicht annähernd stand.
Wo wir schon dabei sind, gibt es auch noch Vanillezucker und Vanillinzucker, beides im Backzutatenregal abzugreifen und überflüssig. Vanillezucker können Sie aus Schotenresten selber herstellen (wozu wir noch kommen) und Vanillinzucker geht gar nicht. Vanillin ist ein synthetisches Aroma, von dem zwar weltweit etwa 12.000 Tonnen pro Jahr vertilgt werden, was aber nichts daran ändert, dass es geschmacklich in die Witzecke gestellt gehört.
Vanille in der Küche
Nehmen wir an, dass Sie mustergültige Schoten erworben haben, wie geht es also weiter? Mit einem möglichst scharfen, kleinen Messer schneiden Sie die Schote längs auf. Sie ist eine Röhre, auch wenn das nicht immer klar zu erkennen ist. Im Idealfall schneiden Sie nur eine Wand der Schote durch, sodass sie der Länge nach aufzuklappen geht. Falls Ihr Messer extrem scharf ist oder Sie zu unsensibel sind, erhalten Sie eben zwei Teile, was auch nicht schlimm ist. In beiden Fällen sehen Sie im Schoteninneren das schwarze, leicht glänzende und klebrige Vanillemark, das Sie möglichst vollständig aus der Schote kratzen. Denken Sie an den stolzen Kaufpreis des Gewürzes, um Ihre Sorgfalt beim Auskratzen zu beflügeln. Die ausgekratzte Schote werfen Sie bitte keinesfalls weg!
Das erhaltene Vanillemark können Sie so wie es ist unter Ihre Speise mengen. Oder Sie verrühren es mit Flüssigkeit (z. B. Milch oder Sahne), die Sie zusammen mit der ausgekratzten Schote aufkochen und eine Weile ziehen lassen. Mitunter wird empfohlen, die vollständige Schote einfach in Flüssigkeit mitzukochen, doch dabei verschenken Sie meiner Meinung nach Einiges, insofern rate ich von dieser Methode ab. Zweifellos überträgt aber auch die ausgekratzte Schote jede Menge Aroma und tut das noch recht lange.
Den Geschmack von Vanille kann vermutlich jeder spontan abrufen. Verschiedentlich ist zu lesen, dass bereits Muttermilch vanillig schmecke, was Babynahrungshersteller dazu brächte, ihre Produkte ebenfalls zu vanillisieren, sodass eine frühkindliche Prägung stattfinde, der man sich später kaum noch entziehen könne. Ob das so ist, lässt sich schwer beweisen, zu beobachten ist aber, dass die Lebensmittelindustrie auch in Erzeugnissen für Erwachsene auffallend häufig Vanillearoma einsetzt, es scheint sich also tatsächlich um eine Art Grundgeschmack zu handeln, auf den die Massen – wenigstens der westlichen Welt – zuverlässig anspringen. Es mag insofern wenig originell sein, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es wäre, wenn es keine Vanille gäbe. Ungezählte Eisportionen, Puddings und Cremes, Kompotte, Kekse und Kuchenstücke, die wir im Lauf eines Lebens wegputzen und das alles ohne Vanille? Die Welt zeigte ein anderes Gesicht und zwar ein hässliches.
Vergleichbar dem zweiten Superschmeichler Zimt schmeckt Vanille selbst nicht ausgeprägt süß, sondern höchstens süßlich. Interessant ist ihre geschmackliche Komplexität, die sich mit Süßem aufs Unwiderstehlichste verbindet. Besonders gut gelingt das, wenn (zumal fettreiche) Milchprodukte oder Gebäck den Träger geben. Eine sichere Bank ist auch die Kombination mit Früchten, ich wüsste kein Obst, dem Vanille nicht spätestens im verarbeiteten Zustand Glanz verliehe.
Erfreulich ist die allmählich durchsickernde Erkenntnis, dass Vanille mitnichten auf Süßspeisen abonniert sein muss. So wird sie etwa vermehrt mit Fisch und Krusten-/Schalentieren zusammengebracht, was ausgesprochen apart ist, sie passt aber auch gut zu Gemüsen wie Karotten oder Tomaten. Selbst Fleischgerichte, etwa vom Lamm, Schwein oder Rind lassen sich mit Vanille verfeinern, dasselbe gilt für Zubereitungen vom Huhn.
Zur Hochform läuft Vanille in Kombination mit verschiedenen Kräutern auf. Lorbeerblätter und Vanille sind nachgerade ein Traumpaar, super sind auch Estragon, Koriandergrün, Lavendel, Minze und Rosmarin.
Wunderbare Begleitgewürze sind Ingwer, Kardamom, Muskatnuss, Nelken, Piment, Safran und natürlich der Bruder im Geiste Zimt.
Vanillezucker und -salz
Schoten, die Sie verwertet haben, können Sie abwaschen, trocknen und mit Zucker oder Salz vermischen. Wenn Sie eine bis zwei Schoten in ein Schraubglas von sagen wir 150 bis 200 ml geben und mit Zucker oder Salz auffüllen, dauert es nicht lange, bis Sie astreinen Vanillezucker oder Vanillesalz haben. Das Spiel können Sie ewig weitertreiben, packen Sie weitere Schoten dazu und füllen Zucker bzw. Salz einfach nach – die Schoten arbeiten noch einige Monate für Sie, bis sie endlich erschöpft sind und aussortiert werden können.
Herkunft der Vanille
Bourbon-Vanille kommt aus Madagaskar, La Réunion (früher Bourbon) und von den Komoren. Tahiti-Vanille kommt aus Tahiti, wobei zusehends Varianten aus anderen Ländern, etwa Papua-Neuguinea, zu bekommen sind, die als Vanilla tahitensis zumindest begrifflich übereinstimmen. Im Zweifel gilt wie immer: ausprobieren.
1 An Tagen, an denen mich die Witzelsucht plagt, nenne ich sie Börbenvanille. In Wahrheit wird sie vornehm französisch ausgeprochen und nicht wie das gleichnamige geistige Getränk.
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