Anschwitzen

In mundgerechte Stücke geschnittener Lauch wird in Pfanne angeschwitzt
Anschwitzen ist Anbraten bei mittlerer Temperatur, ohne Farbe zu nehmen, etwa bei Lauch …
  • EN sweating
  • FR suer, faire blondir
  • ES sofreír
  • IT imbiondire

Nachlässig notierte Rezepte unterscheiden oft nicht besonders pingelig zwischen Anschwitzen und Anbraten, dabei verfolgen die beiden Techniken genau entgegen gesetzte Ziele. Geht es beim Anbraten darum, möglichst ausgeprägte Röststoffe zu erzeugen,1 werden diese beim Anschwitzen vermieden oder zumindest minimiert. Die grundlegende Weiche stellen Sie mit der Temperatur: fürs Anschwitzen bleibt sie verhalten, zum Anbraten ist sie idealerweise hoch.2 Während Sie einen großen Teil alles Essbaren problemlos braten können, eignet sich Anschwitzen vorwiegend (aber nicht nur) für Gemüse.

In feine Würfel (Brunoise) geschnittene Zwiebeln werden in Pfanne angeschwitzt
… dem Paradenbeispiel Zwiebelbrunoise …

Im Weltmaßstab sicher am allerhäufigsten angeschwitzt werden Zwiebeln, sie tauchen schätzungsweise in mehr als jeder zweiten warmen Mahlzeit irgendwie auf und zeigen sehr anschaulich, worum es geht. Rohe Zwiebeln schmecken relativ scharf, etwas bitter und vergleichsweise eindimensional. Nach dem Anschwitzen sind Schärfe und Bitterkeit einer verlockenden Süße gewichen, die Gesamtaromatik hat sich schmeckbar verbreitert, intensiviert und verdichtet. Was keine Wertung sein soll, Sie können Zwiebeln in beiden (und einigen anderen) Zuständen gewinnbringend einsetzen, interessant ist der gewaltige Unterschied.

Zur Herstellung eines Soffritos werden feine Würfel von Zwiebeln, Karotten und Staudensellerie zusammen mit Lorbeerblättern angeschwitzt
… oder einem Soffrito aus Zwiebeln, Karotten und Staudensellerie

Das »Schwitzen« wird beim genauen Hinsehen sichtbar: Aufgrund der Hitzeeinwirkung tritt Flüssigkeit aus, wodurch sich die Aromen der verbleibenden Stoffe verstärken. Wärmeempfindliche Komponenten werden teils verändert, teils zerstört, und es entstehen neue Verbindungen, wozu auch das Fett entscheidend beiträgt. Anschwitzen ist sozusagen ein Hochfahren der Geschmacksregler für die Zwiebeln und so gut wie jedes andere Gemüse.

Als Garmethode kann man Anschwitzen nur bedingt bezeichnen. Gemüsewürfelchen mit einem Millimeter Kantenlänge sind danach zwar verdachtshalber gar, in den meisten Fällen dient das Anschwitzen aber dem aromatischen Unterbau, die eigentliche Garung findet erst im Anschluss statt. Was angeschwitztes Gemüse in der Kochkunst leistet, mag Unkundigen als zu vernachlässigendes Gedöns erscheinen, tatsächlich zählt es zu ihren wichtigsten Stützpfeilern. Wenn Sie Ihre Rezepte durchforsten, stoßen Sie voraussichtlich auf zahllose Passagen, bei denen Sie Zwiebeln, ein Soffrito (feine Würfel aus Zwiebeln und Wurzelgemüse) oder egal welches Gemüse anschwitzen sollen. Lassen Sie diesen Arbeitsschritt einfach mal testhalber ausfallen, wird das Ergebnis in den meisten Fällen ein frappant anderes und schlechter schmeckendes Essen sein.

Zur Herstellung eines Bortschtschs wird mundgerecht zerkleinertes Gemüse angeschwitzt: Rote Bete, Zwiebeln, Weißkohl und Karotten
Auch was später zur Suppe wird, profitiert vom vorherigen Anschwitzen, hier die Gemüse für einen Borschtsch

Die praktische Umsetzung ist kein großes Ding: Herd auf 50 bis 75 Prozent Hitze stellen, Butter oder Öl in Pfanne oder Topf geben und das geschnittene Gemüse darin unter ständigem Rühren erhitzen. Das Rühren (oder Schwenken) ist wichtig, weil sich sonst auch bei mäßiger Hitze bald Bräune einstellt. Im Zweifel halten Sie die Temperatur lieber niedriger und schwitzen dafür länger an. Das Überschreiten eines Zeitlimits steht dabei nicht zu befürchten – solange sich keine Röstflächen bilden, schadet selbst ausgiebigstes Anschwitzen nicht.

1 Zuständig für die Röststoff-Bildung ist die Maillard-Reaktion, deren schiere Existenz wir täglich froh besingen sollten. Ohne sie wäre die Welt um einiges trostloser.

2 Das gern genommene, nach Kasernenhof klingende »scharfe Anbraten« ist eigentlich doppelt gemoppelt und wird leider nicht selten als Ermunterung zum Verkohlen interpretiert. Andererseits hat die Phrase bestimmt vielen autoritär Veranlagten geholfen, Freude am Kochhobby zu finden.

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