Risotto
Kochen Sie ruhig ab und zu einen Risotto. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit gelingen, praktisch jedem schmecken und Sie werden nach dem Kochen wenn nicht gleich tiefen- so doch mindestens oberflächenentspannt sein. Das allseits geschätzte Reisgericht stammt aus Norditalien, dessen Landschaft von der riesigen Po-Ebene dominiert wird, die mit einem Drittel der kontinentalen Gesamternte das größte Reisanbaugebiet Europas ist. Besonders in den Küchen des Piemonts und der Lombardei nimmt Risotto eine zentrale Stellung ein und bildet häufig den primo piatto, den ersten Gang, der im südlicheren Italien sonst eher mit pasta bespielt wird. Dass italienische Restaurants in Deutschland ihn nur vereinzelt auf der Karte haben, liegt hauptsächlich daran, dass Risotto auf den Punkt zubereitet werden muss – kein großes Problem in Italien mit seinen weitgehend genormten Essenszeiten, doch kaum zu schaffen, wo die ersten Gäste schon um halb sechs auf der Matte stehen, während die letzten nicht vor Mitternacht ans Essen denken.
Zutaten und Zubereitung
Konstruktiv gesehen besteht Risotto aus Mittelkornreis, der in Brühe gegart wird, wobei er zum einen die Brühe in sich aufsaugt und somit deren Geschmack annimmt, zum anderen Stärke an die Brühe abgibt und sie damit sämig bindet. Das Ergebnis tendiert zum Brei, tatsächlich ist der Reis zwar weich, aber noch al dente (bissfest). Der Eindruck des Breiartigen wird von der cremig gewordenen Garflüssigkeit erzeugt, die den Reis gleichmäßig umhüllt und dem Gericht seine charakteristische, unnachahmliche Flutschigkeit verleiht. Für die Bindefähigkeit des Reises ist es wichtig, dass die anhaftende Stärke nicht verloren geht, Reis für Risotto wird folglich nie gewaschen.
Risotto kann streng puristisch ausfallen oder mit zahllosen Kombinationen aus Gemüse, Pilzen, Fleisch, Geflügel, Fisch und Meeresfrüchten ergänzt werden. Genau genommen ist er also weniger ein Gericht als eine Zubereitungsart, die für sich allein stehen kann oder die gemeinsame Basis höchst unterschiedlicher Gerichte bildet. Die Grundzubereitung folgt dem immer selben Muster:
- Sie schwitzen fein gewürfelte Zwiebeln an, geben den Reis hinzu und schwitzen ihn kurz mit.
- Sie löschen mit Weißwein ab und gießen eine erste Portion heißer Brühe zu. Der Reis wird die Brühe aufsaugen, die Körner werden demzufolge beträchtlich größer. Bevor der Reis zu trocken wird und anzubrennen droht, gießen Sie Brühe nach. Dieses Spiel wiederholen Sie, bis der Reis die gewünschte Bissfestigkeit erreicht hat. Idealerweise ist jetzt nur noch ein Restpegel der Brühe zu sehen, die überdies genau die richtige Cremigkeit aufweist.
- Jetzt arbeiten Sie Butter und geriebenen Parmesan unter den Risotto, legen einen Deckel auf und lassen ihn fünf Minuten stehen.
- Wenn Sie den Deckel wieder abnehmen, wird der Risotto (hoffentlich) perfekt sein.
Solange Sie mit Bedacht vorgehen, kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Einzig wirklich wunder Punkt ist die Flüssigkeit: Hat der Reis zu wenig davon, brennt er an, bekommt er zuviel, ist er am Ende gar, schwimmt jedoch in einem See aus Brühe. Die durchschnittliche Risotto-Anleitung empfiehlt folglich, die Brühe in möglichst kleinen Schlucken zu verabreichen und dabei die ganze Zeit ununterbrochen zu rühren. Daran ist nichts falsch, der Risotto kocht allerdings ungefähr 20 Minuten und Sie werden sich vielleicht wundern, wie anstrengend es ist, 20 Minuten ununterbrochen zu rühren. Zu Ihrer Erleichterung gibt es zuverlässige Erfahrungswerte.
Um einen exemplarischen Risotto für zwei unzimperliche Esser zu kochen, benötigen Sie etwa 200 bis 220 Gramm Reis. Diese Reismenge wird für perfekten Risotto ungefähr einen Liter Flüssigkeit aufnehmen, genauer lässt es sich nicht bestimmen, weil sich die Sorten nicht identisch verhalten und Ihre Betriebshitze möglicherweise so hoch ist, dass mehr Flüssigkeit verdampft als beim Köcheln auf kleinster Flamme. Doch können wir mit gepufferter Sicherheit sagen, dass der Reis mindestens 500 bis 600 Milliliter aufnimmt, ohne ansatzweise zu riskieren, dass der Risotto zu flüssig wird. Sie können nach dem Anschwitzen also problemlos in einem Rutsch, sagen wir: einen Achtelliter Wein plus einen halben Liter Brühe zugießen und haben erstmal Ruhe. Bis der Reis nach weiterer Brühe schreit, wird circa die halbe Kochzeit um sein, und es reicht vollkommen, ihn während dieser Frist im Auge zu behalten und gelegentlich umzurühren. Das beschriebene Intensivgerühre folgt dann in der zweiten Hälfte und ist mit 10 Minuten so dosiert, dass es zur eingangs in Aussicht gestellten Entspannung kommt, ohne dass diese von einem abfaulenden Arm beeinträchtigt wird.
Das Rühren findet sein Ende, wenn Ihnen der Reis noch einen Tick zu al dente erscheint – in der jetzt folgenden Ruhephase quillt er weiter auf und wird nach den paar Minuten genau richtig sein (Sie können die Ruhezeit ansonsten problemlos auf 10 Minuten verlängern). Analog verhält sich der Flüssigkeitspegel: Wirkt der Risotto vor dem Ruhen ein bisschen zu flüssig, sollte es danach passen. Im Zweifel ist er lieber zu trocken, weil Sie dann nur einen Löffel Brühe unterrühren müssen.
Der richtige Reis
Theoretisch können Sie jeden Mittelkornreis für Risotto verwenden, auf der sicheren Seite sind sie mit »Risottoreis« aus Italien, der verlässlich zum erwünschten Ergebnis führt und auch bei uns leicht zu bekommen ist. Es sind im Wesentlichen drei Sorten:
- Arborio (benannt nach der Stadt dieses Namens im Piemont) hat die größten und rundesten Körner unter den dreien, in den hiesigen Supermarktregalen ist er mit weitem Abstand am verbreitetsten.
- Vialone kommt quasi immer als Vialone Nano (Zwerg-Vialone) in den Handel, was unzart andeutet, dass seine Körner verhältnismäßig klein sind. Die Sorte kann besonders viel Flüssigkeit aufnehmen und gerät etwas cremiger als Arborio.
- Carnaroli ist langkörnig und schlank, er bleibt geringfügig kerniger als die beiden anderen Sorten.
Ist die Sorte von Belang? Sagen wir es so: Im direkten Vergleich sind eindeutig Unterschiede zu erkennen, Sie brauchen aber keinen Aufstand im Laden zu veranstalten, weil er nur die (angeblich) zweitbeste Sorte führt. Aus allen drei lassen sich makellose Risotti herstellen, viel wichtiger als die Sorte ist der Rest.
Die richtige Brühe
Egal, was Sie Ihrem Risotto an Zutaten spendieren, wird die Brühe das entscheidende geschmacksgebende Element bleiben, weil sie für sein aromatisches Fundament sorgt. Es mag Ihnen verschwenderisch vorkommen, eine aufwändig zubereitete Hühner- oder Rinderbrühe zum Reiskochen einzusetzen, aber von nichts kommt nun mal nichts, niemand stöhnt beim Essen eines Brühwürfel-Risottos entzückt auf. So Sie mit dem Verzicht auf den letzten Schub geschmacklicher Dichte leben können, nehmen Sie alternativ eine ordentliche Gemüsebrühe.
Weitere Zutaten
Eine Liste ungeeigneter Risotto-Zutaten würde wohl nicht mal einen Bruchteil derer einnehmen, die sich eignen, ein paar Vorschläge folgen am Ende. Wie Sie verfahren, hängt davon ab, was Sie erreichen möchten. Geben Sie Zutaten früh zu, vermischen sich ihre Aromen inniger mit dem Reis und der Brühe und verändern das Gesamtbild, während sie bei späterem Eintritt als akzentuierende Solisten wirken – beides kann prima funktionieren. Die Garzeit mag ebenfalls ein Argument sein: Wenn Sie z. B. Karotten oder Topinambur im Risotto haben möchten, müssen beide bald dazukommen (oder separat gegart werden). Pilze können Sie zu jedem beliebigen Zeitpunkt untermengen oder am Ende als Topping verwenden, während Sie Fisch, der bei zu langer Garung massiv einbüßt, am besten möglichst spät zufügen.
Mit dem äußerst populären Risotto alla milanese des folgenden Rezepts lässt sich sehr gut studieren, wie sich der Zeitpunkt der Zugabe auf den Geschmack (und in diesem Fall überdies die Farbe) auswirkt. Je früher (dieselbe Menge) Safran ins Spiel kommt, desto gelber wird der Reis und desto mehr wird der Safran zum Orchesterspieler. Geben Sie ihn erst zum Schluss zu, schmeckt er deutlich heraus (was nicht schlecht sein muss) und die Farbe bleibt pastellener.
- 220 g Risottoreis
- nach Belieben: 25 g Rindermark1
- 1 mittelgroße Zwiebel (~ 60 g)
- 125 ml trockener Weißwein
- 1 l Rinder- oder Hühnerbrühe
- 0,3 g Safranfäden2
- 20 g Parmesan, frisch gerieben
- 2 × 25 g Butter
- Salz, Pfeffer
Zwiebel schälen und fein würfeln. Rindermark ebenfalls fein würfeln. Brühe aufkochen, vom Feuer nehmen und bereit stellen. Safranfäden in 3 EL der warmen Brühe einlegen und parken.
Rindermark auf nicht zu heißer Flamme in 25 g Butter auslassen, dann die Butter durch ein Sieb in einen Topf gießen. Aufschäumen lassen und Zwiebeln darin kurz anschwitzen. Reis zugeben, durchrühren und 2 – 3 Minuten mitschwitzen, bis die Körner leicht glasig sind.
Mit Weißwein ablöschen und 500 ml Brühe zugießen, aufkochen lassen, dann den Herd auf mäßige Hitze runterschalten – es reicht, wenn die Flüssigkeit schwach köchelt. Den Reis im Auge behalten und gelegentlich durchrühren.
Wenn die Brühe vom Reis fast aufgesogen ist, eine halbe Kelle Brühe zugeben, ab jetzt ständig rühren und immer wieder Brühe in nicht zu großen Portionen nachgießen. Nach 10 bis 15 Minuten Gesamtkochzeit die Safranfäden samt ihrer mittlerweile sattgelb gefärbten Einweichbrühe unterrühren.
Sobald der Reis nach etwa 20 Minuten nur noch ein klein wenig zu viel Biss hat, Topf vom Herd ziehen, die zweite Hälfte der Butter und Parmesan unter den Risotto mengen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und 5 – 10 Minuten zugedeckt ruhen lassen, danach sofort servieren.
Risotto-Übungen
Korrekt umgesetzt, können Sie bereits mit einem minimalistischen Basis-Risotto überall auftreten, ohne sich genieren zu müssen. Ein idealer Ausgangspunkt für weiterführende Ausschmückungen und kreative Versuchsanordnungen, das stabile Fundament trägt selbst waghalsige Experimente. Hier nur ein paar lose Vorschläge für den Anfang, bis die Technik sitzt:
Steinpilz-Risotto
Neben dem Safran-Risotto der zweite absolute Klassiker. Braten Sie Steinpilze bis sie deutliche Röstspuren zeigen und mischen sie im letzten Drittel der Garzeit unter den Reis. Wenn Sie beim Anrichten noch kross gebratene Scheiben von Parmaschinken auflegen, wird am Tisch zügig zu singen begonnen.
Radicchio-Birnen-Gorgonzola-Risotto (→ Abb. 1)
Braten Sie Treviso-Radicchio mit etwas Zucker in ausreichend Butter an, geben nach einer Weile Birnenstücke zu, löschen die Mischung mit Brühe ab, dünsten sie gar und vermengen sie am Ende vor der Ruhephase mit dem Risotto, dem Sie in diesem Fall Gorgonzola statt Parmesan verabreichen. Der bittersüß-fruchtigen Fülle dieser Aromenverbindung ist kaum zu widerstehen.
Spitzkohl-Kürbis-Shrimps-Risotto (→ Abb. 3)
Braten Sie feine Spitzkohl-Streifen kräftig an, bis sie bräunen, geben 10 mm große Kürbiswürfel zu, die Sie kurz mitbraten. Möglichst bald ab damit in den Topf, wo beides zusammen mit dem Reis gart. Ein Topping aus kurz gebratenen Shrimps oder Garnelen passt hervorragend; wenn Sie wollen, legen Sie außerdem ein paar frisch geschnittene Frühlingszwiebeln auf.
Rosenkohl-Risotto
Teilen Sie Rosenkohl in zwei gleich große Häufchen. Die eine Hälfte der Röschen schneiden Sie in Streifen oder Scheiben, die zweite vierteln Sie. Die Streifen geben Sie gleich zu Beginn mit dem Reis in den Topf, zum Ende der Garzeit frittieren Sie die Rosenkohlviertel bis zur knusprigen Bräune und legen Sie als Topping auf den Reis. Bringen Sie noch in irgendeiner Weise Zitrone ins Spiel und ersetzen den Parmesan nach Möglichkeit durch Gorgonzola. Sie werden staunen, was der Rosenkohl so alles kann.
Tomaten-Risotto (→ Abb. 4)
Fügen Sie beim Anschwitzen der Zwiebeln einen Löffel Tomatenmark hinzu und schwitzen es kurz mit. Die erste Zugabe der Brühe ergänzen Sie mit geschälten und grob zerkleinerten Tomaten. Während der Reis gart, schneiden Sie Cocktailtomaten längs in Hälften und legen sie – Schnittflächen nach unten – in einer separaten, auf schwacher Flamme stehenden Pfanne mit einigen Esslöffeln Olivenöl aus und streuen eine Prise Zucker darüber. Bis der Reis fertig ist, werden sich die Cocktailtomaten in butterweiche Aromenbomben verwandelt haben, mit denen Sie dem Tomaten-Risotto den Rest geben. Eine großzügige Basilikum-Zugabe wird alles andere als schaden.
1 Das Rindermark ist eine klassische und stilprägende Zutat des Mailänder Risottos. Falls Sie sich dazu nicht überwinden können, lassen Sie es einfach weg – der Risotto schmeckt auch ohne Rindermark.
2 Schon klar, die normale Küchenwaage wiegt keine Grammbruchteile. Zum Glück wird Safran in Gebinden gehandelt, die für den Endverbraucher selten mehr als 1 Gramm enthalten. Je nach Packung kommen Sie mit Multiplizieren oder dem Teilen per Augenmaß leicht weiter – zumal es nicht aufs Hundertstel Gramm ankommt. Statt der Fäden können Sie übrigens getrost Safranpulver verwenden, die Fäden machen den Risotto hübscher, wie ich finde, der geschmackliche Unterschied ist hingegen zu vernachlässigen.
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