Karamellisieren
- EN caramelize
- FR caraméliser
- ES caramelizar
- IT caramellare
Wenn ich mich recht an meine Schulzeit erinnere, roch es im Chemieunterricht meistens ziemlich streng, außer am Tag, als der Lehrer das Karamellisieren demonstrierte. Mit dem Bunsenbrenner erhitzte er eine Handvoll Zucker, der bald schmolz und sich braun zu verfärben begann. Das entstehende Produkt Karamell war sämtlichen Schülern bereits bekannt, weswegen sie auch den sich ausbreitenden Wohlgeruch leicht einordnen konnten. (Kulinarisch nicht erkennbar engagiert, gab der Mann leider keine Ruhe, bis die irgendwann einsetzende Pyrolyse das gute Karamell zu einer holzkohlenähnlichen Substanz aufgebläht hatte, womit der übliche Chemiesaal-Gestank wieder hergestellt war.)
In der Küche
Interessant ist, wie sich der Prozess des Karamellisierens in der Küche nutzbar machen lässt. Nicht nur um gezielt Karamell herzustellen, das meistens für Süßspeisen verwendet wird, sondern um die Aromenentwicklung auch beim »ganz normalen« Kochen zu beeinflussen.
Der gemeine Haushaltszucker ist streng genommen Saccharose, die bei etwa 135 – 140 °C zu schmelzen beginnt und sich dann schnell verfärbt. Bei anhaltender Zufuhr von Hitze wird die braune Farbe immer dunkler, bis sie fast schwarz ist (dann haben Sie Zuckercouleur, die zum Färben vieler Lebensmittel eingesetzt wird). Je heller das Karamell bleibt, desto süßer schmeckt es, mit zunehmender Verdunkelung wird es bitterer und säuerlicher. Das Karamellisieren funktioniert mit jedem Zucker, allerdings weichen die Temperaturen ab. Bei Fructose (Fruchtzucker) liegt der Schmelzpunkt z. B. bei gerade mal 110 °C, während jener von Maltose (Malzzucker) 180 °C beträgt.
Was chemisch genau passiert, ist vielschichtig und nicht bis ins letzte Detail klar. Im Ergebnis entstehen Hunderte neuer Moleküle, die eine Vielzahl unterschiedlicher Aromen generieren: buttrig-milchige, fruchtig-säuerliche, blütenartige, süße, rumähnliche, röstig-malzige und andere mehr. Ähnliche Vorgänge passieren auch im Zuge der Maillard-Reaktion, deren Temperaturbereich sich mit dem der Karamellisierung streckenweise deckt, sodass beide Prozesse häufig parallel stattfinden und die Produkte kaum noch auseinander zu halten sind, oder erst im Zusammenspiel wiederum weitere Noten entwickeln, die einzeln nicht entstanden wären.
So Sie reines Karamell erhalten möchten, verfahren Sie im Wesentlichen wie mein Chemielehrer, nur dass Sie zeitiger aussteigen, indem Sie den Prozess durch Zugießen kalter Flüssigkeit abrupt stoppen. Den richtigen Moment zu erwischen, erfordert ein wenig Fingerspitzengefühl und hängt nicht zuletzt davon ab, wie Ihr Karamell am Ende schmecken soll. Um das Ganze zu vereinfachen, vermischen Sie den Zucker schon vor dem Schmelzen mit etwas Wasser. Er kann dann eine ganze Weile in Ruhe vor sich hin kochen, bevor das Wasser allmählich verdampft und er zu schmelzen und bräunen beginnt. Die Reaktionen werden damit insgesamt verlangsamt und das Karamell schmeckt intensiver als trocken hergestelltes.
Wenn Sie zuckerhaltige Lebensmittel wie Früchte, Karotten, Zwiebeln, Süßkartoffeln, Erbsen oder, sagen wir, Butter ausreichend erhitzen, werden sie genauso karamellisieren, wie es ihr isolierter Zucker täte. Das Ergebnis fällt sicher weniger spektakulär aus und es kann zu den genannten Überlagerungen mit der Maillard-Reaktion kommen, dennoch ist die Karamellisierung in vielen Fällen maßgeblich daran beteiligt, dass Sie den Verzehr Ihres Essens als äußerst angenehm empfinden. Weswegen es durchaus gebräuchlich ist, den Effekt zu verstärken, indem beim Anbraten ein wenig Zucker zugegeben wird.
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