Erbsensuppe
- EN pea soup
- FR soupe de pois cassés
- ES sopa de guisantes
- IT zuppa di piselli
Wenn die weite Welt zu weit wird und einzig der Rückzug auf übersichtliche Heimeligkeit Trost verspricht, braucht der Mensch – speziell der deutsche – nur einen Topf voll Erbsensuppe zu kochen, bei deren Verzehr sich die ersehnte Gemütlichkeit mit einiger Sicherheit einstellen wird. Ungeachtet der Tatsache, dass Erbsensuppe auf dem halben Globus seit vielen tausend Jahren gegessen wird, gilt sie den meisten als urdeutsch-deftiger Klassiker, den jedermanns Oma unnachahmlich zuzubereiten verstand. Man muss sich diese Oma wohl ganztägig in Kittelschürzen gewandet vorstellen, ein Garten-, Küchen- und Hauswirtschaftsfaktotum, das wenig anderes zu tun hatte, als die Familie mit allerlei Herz- und Schmackhaftem zu verwöhnen, statt dem lieben Gott mit Rentner-TV und der Lektüre von Adelsblättern den Tag zu stehlen. Traute Heimat eben – oder wie es der Journalist, Autor und frühe Fernsehkoch Horst Scharfenberg schneidig-wehmütig ausdrückt:
Auch die Erbsensuppe gehört zu den deutschen Heimweh-Essen. Wer sie lange nicht gegessen hat, träumt von ihr. Dabei geschieht etwas sehr Ungewöhnliches: Erbsensuppe ist stets eine – und oft die einzige – angenehme Erinnerung des deutschen Mannes älterer Jahrgänge an seine Soldatenzeit. Die beste Erbsensuppe wird in der Gulaschkanone gekocht.1
Davon abgesehen, dass »Heimweh-Essen« heute wesentlich hipper als »Soul Food« oder »Comfort Food« gelabelt wird (was bei unhippen Anglizismus-Hassern ironischerweise sofortige Heimwehschübe auslöst), können Sie Erbsensuppe natürlich auch genießen, wenn Sie nie Soldat waren, Ihre Oma nur Konserven aufwärmte und Ihnen überhaupt jede Verklärung der Vergangenheit suspekt erscheint. Das Allertollste an Erbsensuppe ist nämlich, dass sie außerordentlich gut schmeckt.
Zutaten und Zubereitung
Bevor wir uns den Details zuwenden, klären wir zunächst das Grundsätzliche. Die Erbsensuppe, von der wir hier sprechen, wird aus getrockneten Erbsen zubereitet. Selbstverständlich lassen sich aus frischen grünen Erbsen ebenfalls wunderbare Suppen kochen, die sich in der Charakteristik und im Geschmacksbild jedoch fundamental unterscheiden.
Die korrekten Erbsen
Getrocknete Erbsen werden in vier verschiedenen Handelsformen angeboten: grün oder gelb, ganz oder geschält und halbiert. Ob Sie zu grünen oder gelben Exemplaren greifen, hängt von persönlichen Vorlieben ab – grüne wurden im nicht ganz ausgereiften Zustand geerntet, sie schmecken etwas frischer und ihr Stärkeanteil liegt im Schnitt leicht niedriger. Mir gefallen sie geschmacklich wie farblich besser, die Unterschiede sind freilich nicht gravierend. Umso entschiedener mein Rat zu ungeschälten und mithin ganzen Erbsen. Geschälte Erbsen garen schneller, schmecken aber lascher. Sie sind zudem schwerer zu kontrollieren, weil sich der Übergang vom Zerfallen zum Brei mangels äußerem Halt in kürzester Zeit vollzieht, was nur von Vorteil ist, wenn Sie eine möglichst glatte, homogene Suppe anpeilen. Weitaus differenzierter verläuft der Zerfallsprozess bei den ungeschälten Exemplaren, mit denen Sie von der klar stückigen bis zur absolut sämigen Suppe viele Zwischenstufen bestimmen können, ohne dass es auf eine Minute mehr oder weniger ankommt.
Ungeschälte Erbsen müssen Sie mindestens 12 Stunden einweichen, es können auch problemlos 24 Stunden werden, falls Ihnen das organisatorisch besser passt. Das Erbsvolumen dehnt sich währenddessen beträchtlich aus und erstaunlicherweise wird auch die Ursprungsfarbe zu guten Teilen rekonstruiert, sofern die Erbsen noch nicht zu alt sind. Womit wir bei einem weiteren wichtigen Punkt wären: Trockene Hülsenfrüchte gelten als praktisch ewig lagerfähig, was im Prinzip stimmt. Dummerweise müssen sie umso länger kochen, je älter sie sind, außerdem verblasst die Farbe immer mehr. Kaufen Sie nach Möglichkeit also Hülsenfrüchte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum ein bis zwei Jahre in der Zukunft liegt.
Das Deftige
Die altbekannte und tausendfach erprobte Verbindung von Hülsenfrüchten mit Gepökeltem und Geräuchertem gelangt mit den Erbsen zu ihrem ultimativen Höhepunkt. Kassler Rippchen oder besser der fettere Kassler Nacken sind ideale Stücke zum Mitkochen, wenn Sie überdies ein paar Rohwürste wie Polnische oder Mettenden spendieren, macht die Erbsensuppe noch mehr Spaß. Ergänzend zu empfehlen ist eine nicht zu intensiv angebratene Unterlage aus geräuchertem Bauchspeck.
Gemüse, Kartoffeln und Kräuter
Gemüsemäßig bietet sich der klassische Kanon aus Zwiebeln, Karotten, Sellerie und Lauch an – fast immer mit dabei, aber keineswegs unverzichtbar sind Kartoffeln. So Sie Lust auf Petersilienwurzeln, Pastinaken oder Steckrüben haben: immer rein damit. Bei den Kräutern sind Lorbeerblätter gesetzt, das Erbsenkraut schlechthin ist nach Meinung vieler (inklusive meiner) allerdings ganz eindeutig Majoran. Unbedingt frisch, dafür gerne reichlich – die Kombination mit Erbsen (übrigens auch jungen, ungetrockneten) ist geradezu sensationell.
Aufbau
Die Herstellung von Erbsensuppe zieht sich ein wenig, ist aber beherrschbar. Sie braten Zwiebel- und Speckwürfel an, geben die eingeweichten Erbsen und die Fleisch-/Wurstprodukte zu, übergießen das Ganze mit dem Einweichwasser und kochen den Ansatz, bis die Erbsen fast fertig, aber noch nicht zerfallen sind und beim Draufbeißen noch ein bisschen Widerstand leisten. Je nachdem, wie alt die Erbsen sind und wie lange sie eingeweicht wurden, dauert das circa 40 bis 60 Minuten. Jetzt geben Sie die zuvor leicht angedünsteten Wurzelgemüse sowie die Kartoffeln zu und kochen die Suppe bis alles weich ist. Zur Fertigstellung entnehmen Sie das Fleisch und die Würste, schneiden beides in verzehrfreundliche Stücke und befördern diese zusammen mit dem schnell garenden Lauch zurück in die Suppe, die Sie nochmal kurz durchkochen.
Sie benötigen nicht zwingend Brühe, weil die Zutaten für einen mehr als ausreichend kräftigen Geschmack sorgen. Gegen Ende der Garung kann es allerdings vorkommen, dass die Erbsen über Gebühr binden und Sie kräftig verdünnen müssen. An dieser Stelle kann Brühe die bessere Wahl sein – falls Sie keine da haben, bleiben Sie einfach beim Wasser.
- 500 g trockene grüne Erbsen, ungeschält
- 500 g geräucherter Kassler Nacken
- 250 g Rohpolnische
- 100 g Bauchspeck
- 150 g Zwiebeln
- 150 g Karotten
- 150 g Sellerie
- 1 mittelgroße Stange Lauch
- 500 g Kartoffeln, festkochend
- 4 Lorbeerblätter
- Einige Zweige frischer Majoran
- Optional: Gemüse- oder Rinderbrühe zum Verdünnen
- Butter zum Braten
Erbsen 12 – 24 Stunden in reichlich kaltem Wasser einweichen. Eingeweichte Erbsen auf Sieb schütten, Wasser auffangen.
Zwiebeln schälen und fein würfeln, Speck von der Schwarte und etwaigen Knochen befreien und in möglichst feine Würfel schneiden.
Zwiebeln bei mäßiger Hitze in Butter anbraten, nach 2 – 3 Minuten den Speck hinzufügen und mitbraten, bis er glasig ist, Farbe nimmt und intensiv duftet. Erbsen und Lorbeerblätter zugeben, Kassler Nacken sowie die unzerkleinerten Würste einlegen und Einweichwasser zugießen, bis alles knapp bedeckt ist. Hitze erhöhen und den Suppenansatz zum Kochen bringen, dann auf kleiner Flamme 40 – 60 Minuten leise köcheln lassen, bis die Erbsen noch etwas Restbiss haben. Dabei stets den Flüssigkeitspegel im Augen behalten und bei Bedarf immer wieder Wasser nachgießen.
Während die Erbsen garen, Karotten und Sellerie schälen und in 4 – 5 mm große Würfel schneiden, Lauch längs halbieren und in 5 mm breite Scheiben schneiden. Kartoffeln schälen und in 15 mm große Würfel schneiden. Karotten und Sellerie in etwas Butter anschwitzen und mit den Kartoffeln zu den fast weichen Erbsen geben.
Suppe etwa 15 – 20 Minuten weitergaren, bis Gemüse und Kartoffeln weich sind, die Erbsen anfangen zu zerfallen und die Suppe sämig wird. Konsistenz ggf. durch Zugabe von Brühe oder Wasser aufs gewünschte Maß einstellen.
Kassler und Würste aus der Suppe nehmen, in mundgerechte Stücke schneiden und wieder in die Suppe geben. Abschließend den Lauch zugeben und Suppe nochmal kurz durchkochen, bis der Lauch weich ist.
Erbsensuppe mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit frischen Majoranblättchen bestreuen.
1 Horst Scharfenberg »Die deutsche Küche«, Hallwag Verlag, Bern und Stuttgart, 1980
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4 Kommentare
Dagmar # 1 – 03.01.22, 18:34 Uhr
Genau so werde ich morgen die Erbsensuppe machen und ich freu mich schon ganz unbändig darauf. Vielen Dank für die schöne und informative Seite. Viele Grüße Dagmar
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Peter # 2 – 29.10.22, 02:31 Uhr
Zunächst danke ich dem Fluch der cookies, denn er hilft endlich, den tieferen werten zum Auftrieb!
was früher total normal, MUSS heute ohne cookies nicht mehr "dürfen"!?
Wer will den da wohl verdienen- im Hintergrund? und alle Unwissenden machen, weil die Masse machts ja auch, mit?
Die typischen "Most-power"seiten machen fast ausnahmslos da mit.
Endlich kommen die süßen, ehrlichen, "ungeschminkten" seiten anderer "ungekaufter" seiten ans Licht!
Danke all denen, die sich nicht haben "einfangen" lassen!!!
DIRESE Seite ist so toll, einfühlsam und erfreulich, dass ich sehr begeistert bin!
Gott segne euch!
Danke und viele freudige Leser euch!
Mit lieben Grüßen, Peter
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Brigitte matzer # 3 – 11.06.24, 14:57 Uhr
Hallo ,leider zum wieder holten Male ,Müllers Mühle Erbsen nach über 2 std. Nicht weich .! Einen Tag vorher eingeweicht . Ich kaufe Erbsen -Linsen über Jahre ! Aber nun das mit Erbsen ärgert mich schon!! Mit freundlichen Gruß Brig.matzer
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Ralf Schmid # 3.1 – 11.06.24, 19:56 Uhr
Müllers Mühle ist im Allgemeinen ein solider Hersteller, der mir bislang nie unangenehm aufgefallen ist. Wenn Hülsenfrüchte erst nach Stunden (oder gar nicht) weich werden, liegt es in vielen Fällen daran, dass sie steinalt sind. Können Sie das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nachvollziehen? Als mögliche Ursache fällt mir sonst noch (stark) kalkhaltiges Wasser ein, mit dem das Kochen von Hülsenfrüchten zur echten Geduldsprüfung werden kann.
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