Forelle blau
Manche Süßwasserfische, unter anderem die Forelle, verbringen ihr Leben in einem ausgeprägten Schleimfilm, der ihre Haut ganzflächig überzieht und beim Garen unter bestimmten Voraussetzungen blau wird. Die Methode heißt Blaukochen und Forelle blau ist ihre mit einigem Abstand bekannteste Repräsentantin (gefolgt von Aal blau und Karpfen blau mit unklarer Verteilkurve). Die blaue Forelle fehlte in Deutschland jahrzehntelang auf keiner ernstzunehmenden Speisekarte, man kennt sie außerdem in Frankreich, wo sie als diffus elsässisch gilt. Dass ihre Verbreitung augenscheinlich nachgelassen hat, liegt wohl vorrangig an veränderten Essgewohnheiten – Kellner deuten immer wieder leise an, dass die meisten Gäste mit kompletten Fischen überfordert sind – kulinarisch lässt sich der Rückgang jedenfalls kaum begründen.
Blaukochen müsste genau genommen eigentlich Blauziehen oder Blaupochieren heißen, weil der Sud gerade nicht kochen, sondern deutlich unterhalb des Siedepunktes bleiben soll. Fisch in Sud zu pochieren ist eine extrem simple, häufig unterschätzte Gartechnik, die zu sehr schmackhaften Resultaten führen kann.
Zutaten und Zubereitung
Erste der einleitenden »bestimmten Voraussetzungen« ist die äußerste Frische des Fisches. Restaurants und Fischhändler, bei denen Sie Ihre Wunschforelle im Aquarium aussuchen können, die dann hinter den Kulissen für Sie getötet und ausgenommen bzw. zubereitet wird, sind aus unserer durchoptimierten Versorgungskette inzwischen leider fast vollständig verschwunden, für Forelle blau wären sie hingegen die ideale Quelle. Mit etwas Glück fischen Sie selbst oder es gibt eine Forellenzucht mit Straßenverkauf in Ihrer Nähe, andernfalls müssen Sie sich eben mit Ware begnügen, die bereits eine (hoffentlich nicht allzu lange) Weile auf Eis lag. Unabdingbar fürs Blauwerden ist die erwähnte Schleimschicht, die auf den Kontakt mit Essig reagiert – hat sie irgendwer entfernt, bleibt der Fisch definitiv unblau. Sie müssen den Schleim übrigens nicht mit der Lupe suchen, er trieft förmlich und ist somit unübersehbar. Wasser verschafft ihm keine großen Probleme (die Forelle schwamm ihr ganzes Leben in solchem, ohne dass er weggespült wurde), der ausgenommene Fisch darf also durchaus abgewaschen werden. Beschädigungen werden eher durch trockene Hände hervorgerufen oder schlimmer noch durchs beliebte »Trockentupfen«, mit dem Sie das sichere Ende jeder Bläue einläuten.
Wie blau die Forelle genau wird, können Sie selbst mit frischesten, schleimigsten Exemplaren nur bedingt beeinflussen – mal wird es satter, mal weniger, die Natur pfeift leider auf Industrienormen. Henriette Davidis empfiehlt in ihrem »Praktischen Kochbuch« – einem der wichtigsten Referenzwerke zur bürgerlichen deutschen Küche – die Fische mit heißem Essig zu übergießen und 30 Minuten stehen zu lassen, um sie erst dann, zusammen mit dem Essig, in den Sud zu geben.1 Ich habe das noch nie probiert, rate aber davon ab, weil sowohl Hitze als auch die Säure des Essigs Ladungsverschiebungen im Protein, also einen Garprozess auslösen. Jede Wette, dass Davidis’ Ergebnisse bei aller forcierten Blauheit zu trocken waren und Essignoten dominierten. Also: den Ball lieber demütig flach halten und einfach hinnehmen, was geschieht. Das Blaue trägt geschmacklich nichts Nennenswertes bei, sondern dient nur dem visuellen Entzücken (das damit keineswegs kleingeredet werden soll).
Die Zubereitung ist wie gesagt unkompliziert: Aus Wasser, Gemüse, ein paar Gewürzen, Salz, Essig und nach Belieben Weißwein bereiten Sie einen Sud, den Sie 20 Minuten leise köcheln lassen, damit er hinreichend Geschmack entwickelt. In den legen Sie die Fische rein und holen sie zur rechten Zeit wieder raus, Ende. Beim Garen können neben der Blauwerdung zwei Phänomene auftreten, die Ihnen vielleicht nicht gefallen, tatsächlich aber zuverlässige Frische-Indikatoren sind: die Forelle krümmt sich und ihre Haut reißt partiell auf. Bei Forellen, die vor einer Viertelstunde noch fröhlich herumschwammen, wird beides mit Sicherheit passieren, mit zunehmender Lagerzeit der Fische nimmt die Wahrscheinlichkeit ab.
Beim Garen überträgt der Sud seinen Geschmack an den Fisch, woraus im Verbund mit dem zarten Forellenfleisch ein höchst filigranes, elegantes Gesamtkunstwerk entsteht. Salzkartoffeln sind als Begleiter gesetzt, dazu passt ansonsten Butter, am besten ganz unspektakulär zerlassen oder leicht zur Nussbutter gebräunt, auch Beurre blanc macht eine gute Figur, während mir persönlich die ebenfalls gern genommene Sauce hollandaise hier ein Spur zu dick aufgetragen erscheint, aber probieren Sie es einfach aus. Mitunter wird ergänzend das Gemüse aus dem Sud dazu gereicht, hübscher ist es wohl, die gleichen Gemüse nochmal separat zuzubereiten, etwa in Form von Julienne (feinen Streifen) wie im nachfolgenden Rezept.
- 2 Regenbogen-Forellen, je ca. 250 – 300 g
Sud
- 3 l Wasser
- 100 g Karotten
- 100 g Knollensellerie
- 75 g Lauch
- 100 g Zwiebeln
- 2 Lorbeerblätter
- 10 Wacholderbeeren, angequetscht
- 1/4 TL Pfefferkörner, grob gemörsert
- 30 g Salz
- 100 ml Weißweinessig
Gemüse-Julienne
- 100 g Karotten
- 100 g Knollensellerie
- 75 g Lauch
- Butter zum Dünsten
Karotten, Sellerie und Lauch für den Sud waschen und ungeschält grob zerkleinern. Zwiebeln schälen und gleichfalls in grobe Stücke schneiden.
Wasser in einen Topf geben, der ausreichend groß bemessen ist, dass die Forellen sich nicht in ihm drängeln müssen. Die zerkleinerten Gemüse, Lorbeerblätter, Wacholderbeeren und Salz zugeben und alles zum Kochen bringen. Hitze auf kleine Stufe reduzieren und den Sud 20 Minuten leise köcheln lassen.
Währenddessen die Gemüse für die Julienne waschen, schälen bzw. putzen und in möglichst feine, 5 cm lange Streifen schneiden. Lauchstreifen separat halten. In einer Sauteuse oder Pfanne großzügig Butter zerlassen, die Karotten- und Selleriestreifen darin bei mittlerer Hitze 5 bis 10 Minuten dünsten, bis sie noch etwas zu viel Biss haben. Jetzt die schneller garenden Lauchstreifen untermengen und 2 Minuten mitdünsten. Gemüse vom Herd ziehen und parken.
Forellen, falls nötig, so schonend wie möglich unter fließendem Wasser mit mäßigem Strahl säubern, die Unversehrtheit der Schleimschicht dabei stets im Blick behalten.
Die Hitze des inzwischen fertigen Suds soweit reduzieren, dass er nicht mehr kocht, er sollte idealerweise 80 – 85 °C warm sein. Essig zugießen und verrühren.
Die vorbereiteten Forellen in den Sud legen und ziehen lassen, bis sie gar sind. Bei 300 g schweren Forellen dauert das etwa 12 Minuten, je 20 g Abweichung in jede Richtung wird sich die Garzeit überschlägig um eine Minute verkürzen bzw. verlängern. Die Fische sind gar, sobald sich die Rückenflosse ohne jeden Widerstand herausziehen lässt.
Kurz bevor die Forellen gar sind, die Gemüse-Julienne wieder auf den Herd stellen, erhitzen und mit einer kleinen Kelle des Fischsuds ablöschen. Flüssigkeit einkochen lassen, bis die Julienne noch gut feucht wirken.
Fertige Forellen mit Schaum- oder Frittierkelle vorsichtig aus dem Sud heben und mit den Gemüse-Julienne anrichten.
1 Henriette Davidis »Praktisches Kochbuch. Zuverlässige und selbstgeprüfte Recepte der gewöhnlichen und feineren Küche«, Reprint der Berliner Ausgabe W. Herlet Verlag, 1900, Bechtermünz/Weltbild, Augsburg, 1996
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