Birne Helene
- EN poire belle Hélène
- FR poire Belle-Hélène
- ES pere alla bella Elena
- IT pere alla bella Elena
Der französische Dessert-Ultraklassiker Birne Helene heißt im Original Poire Belle-Hélène, dass Helenes Schönheit in Deutschland unerwähnt bleibt, lässt möglicherweise tief blicken, vielleicht wollte man auch nur ganz pragmatisch ein paar überflüssige Buchstaben einsparen. Im Unterschied zum Großteil aller echten oder behaupteten Rezeptklassiker ist die Birne Helene auf ein konkretes Ereignis zurückzuführen: Anlässlich der Premiere von Jacques Offenbachs Operette »La Belle Hélène« (deutsch: »Die schöne Helena«) im Dezember 1864 in Paris warteten mehrere Köche der angesagten städtischen Restaurants mit Kreationen auf, die den Zusatz »Belle-Hélène« trugen, unter anderem der besagten Birne. Viele Quellen schreiben das Dessert dem Großmeister Auguste Escoffier zu, vermutlich insofern zu Unrecht, als Escoffier 1864 noch im Nizzaer Hotel »Bellevue« arbeitete und erst ein Jahr später nach Paris kam. Als wahrscheinlicher gilt, dass er ein vorhandenes Rezept überarbeitete und berühmt machte. Aber gut, solange sich kein anderer meldet, der es gewesen sein will, lassen wir Monsieur Auguste am besten selbst zu Wort kommen:
Die Birnen in Vanilleläuterzucker pochieren, erkalten lassen und auf eine Lage Vanilleeis, das man mit kristallisierten Veilchen bestreut hat, anrichten. Eine heiße Schokoladensauce extra servieren.1
Bis auf die kristallisierten Veilchen klingt das doch recht überschaubar. Statt des Läuterzuckers mit seinem 1:1-Verhältnis von Zucker und Wasser reicht zum Pochieren ein gemäßigter 40-Prozent-Sirup (400 Gramm Zucker auf 1 Liter Wasser) und ob Sie die Sauce nun gleich darübergießen oder separat auf den Tisch stellen, können Sie je nach Zusammensetzung der Mitessenden selber entscheiden.
Die Birnen sind idealerweise reif, fest und nicht zu groß – falls Sie nur Riesendinger bekommen, müssen Sie wohl mit zerteilten Exemplaren arbeiten. Ganze Früchte sind Hélènes Anmut fraglos angemessener, ihr mustergültiger Verzehr mit Löffel und Kuchengabel erfordert aber ein gewisses Geschick, das im Allgemeinen nur gelernte Franzosen so richtig draufhaben.
Stellt sich noch die Frage nach der Schokoladensauce: Was Escoffier genau mit »heiß« meint, lässt er zwar offen, doch dass Sie beim Essen pusten müssen, war definitiv nicht sein Plan. Wenn die Temperatur oberhalb von 50 Grad liegt, wird die Sauce, trotz ihrer Abkühlung beim Kontakt mit der Frucht, im Mund als warm empfunden. Sie können die Sauce auch kalt, sprich raumtemperiert einsetzen, die Birne Helene schmeckt dann anders, doch keineswegs schlechter. Für mein Empfinden passt verhaltene Süße besser, weil reife Birnen, die in Sirup pochiert wurden, ihrerseits recht süß schmecken und zartbittere Saucen interessantere Kontraste bilden. Es gibt indessen auch die gegenteilige Schule der breitwandigen Süße, in der die Schokoladensauce gar nicht opulent genug ausfallen kann, ganz egal, was unter ihr liegt. Suchen Sie sich aus, was Ihnen besser gefällt.
Birne Helene lässt sich last not least komplett stressfrei in Menüs einbauen. Die Birnen halten sich im Sirup liegend und gekühlt einige Tage ohne nennenswert nachzulassen, dasselbe gilt für praktisch jede Schokoladensauce. So Sie beides da haben, ist es also nur ein Verteilen von Elementen auf Tellern und somit nichts, das Sie in Unruhe versetzen müsste.
- 4 reife, feste, wohlgeformte, gleich große Birnen mit intakten Stielen, je 100 – 120 g
- 2 EL Zitronensaft
- 750 ml Wasser
- 300 g Zucker
- 1 TL Vanille-Extrakt
- 125 ml Schokoladensauce
- Vanilleeis
Für den Sirup Wasser und Zucker bei mäßiger Hitze und mit regelmäßigem Rühren zum Kochen bringen – wenn der Sirup zu kochen beginnt, muss der Zucker vollständig aufgelöst sein, weil es sonst passieren kann, dass er am Topfboden ansetzt. Einige Minuten leise köcheln lassen, dann den Sirup vom Herd ziehen.
Birnen schälen, Stiele dranlassen. Kerngehäuse mit Parisienne-Ausstecher2 oder kleinem Messer von unten so herauslösen, dass die Birnen am Stück bleiben. Früchte sofort rundum (inklusive der Aushöhlung) mit Zitronensaft bepinseln, damit sie nicht braun werden.
Sirup wieder auf den Herd stellen und bis knapp unter den Siedepunkt erhitzen (80 – 85 °C). Vanille-Extrakt unterrühren, dann die vorbereiteten Birnen einlegen und 20 – 25 Minuten pochieren – der Sirup sollte möglichst nie kochen. Birnen nach dem Pochieren vom Herd nehmen und im Sirup auf Raumwärme abkühlen lassen, sie ziehen dabei noch um einiges nach.
Birnen auf Sieb abtropfen lassen und mit Vanilleeis anrichten. Früchte mit warmer bzw. raumtemperierter Schokoladensauce überziehen oder die Sauce separat dazu reichen.
1 Auguste Escoffier »Kochkunstführer«, 15. deutsche Auflage, Pfanneberg, Haan-Gruiten, 2008
2 Küchenwerkzeug, das aus einem Griff mit halbkugelförmigen, leicht zugeschliffenen Metallschalen an beiden Enden besteht (→ Foto 4), eine etwas größer als die andere. Den Namen erhielt er von pommes parisienne (Pariser Kartoffeln), Kartoffelkugeln, die kurz blanchiert und dann in Butter gar gebraten werden. Für die etwas kleineren pommes noisette (Nusskartofeln) wird die andere Schale verwendet. Auch wenn Sie an beiden Kartoffelzubereitungen kein Interesse haben, ist der Ausstecher ein höchst praktisches Gerät, mit dem sich viele nette Dinge anstellen lassen. Er kostet nicht die Welt und schon an einfacheren Ausführungen werden sich voraussichtlich noch Ihre Urenkel erfreuen können.
Fragen, Jubel oder Klagen? Lassen Sie es mich und die anderen Leser wissen!
1 Kommentar
Alexander M. # 1 – 08.10.22, 23:14 Uhr
Heute Abend kredenzt; zu Recht ein Klassiker.
Vielen Dank für den schönen Beitrag!
Antworten