Saure Nierle

Saure Nierle, angerichtet mit Bratkartoffeln
Gruß aus der Innereienküche: Saure Nierle, mit gebratenen Kartoffelwürfeln

Eine der besten unter den nicht wahnsinnig beliebten Hervorbringungen der schwäbischen Küche sind Saure Nierle. Im Wesentlichen dasselbe findet sich auch in anderen Regionalküchen, wobei die Nieren dann wahlweise zu hochdeutschen Nierchen werden oder die Urheberschaft mit den jeweils landstrichtypischen Endungen behauptet wird, sofern die Verzwergung nicht ganz unterbleibt.

Substanziell handelt es sich bei Sauren Nierle um ein kurz sautiertes Ragout aus Kalbs- oder Schweinenieren, das in wenigen Minuten zuzubereiten ist. Falls Sie mit Innereien und speziell den leicht anrüchigen Nieren kein Problem haben, oder es schaffen, das Problem zu überwinden, werden Sie mit einer schmackhaften Speise belohnt, die als Folge der überschaubaren Nachfrage – hier frohlockt der Schwabe – für allerkleinstes Geld zu haben ist.1

Zutaten und Zubereitung

Je nachdem, wo Sie wohnen, müssen Sie Nieren bei Ihrer Metzgerei vermutlich vorbestellen. Sollten doch welche vorrätig sein, können Sie Schweine- und Kalbsnieren auf den ersten Blick unterscheiden: Die Schweineniere ähnelt der menschlichen, während jene vom Kalb segmentiert ist. Wenn Sie es sich aussuchen können, nehmen Sie Kalbsnieren, die einen Tick delikater sind, weil allerdings weitaus mehr Schweine als Kälber geschlachtet werden, sind ihre Nieren meistens leichter zu bekommen. Gehen Sie von 150 bis 200 Gramm Rohgewicht pro Person aus.

Schweineniere, komplett
Eigentlich ganz hübsch: Schweineniere am Stück
Schweineniere, längs aufgeschnitten
Schweineniere längs zerteilt: Das innenliegende Harnweg-Gedöns muss rausgeschnitten werden

Die Nieren werden normalerweise ohne ihren umgebenden Fettmantel verkauft. Zunächst werden sie gründlich gewaschen, dann ziehen Sie, so noch vorhanden, die dünne Außenhaut ab und zerteilen die Nieren längs in der Mitte. Die nun offen liegenden, knorpelig-festen Harnweg-Verzweigungen trennen Sie vollständig heraus und schneiden die verbleibenden Hälften in Würfel oder Scheiben, die Sie mindestens eine halbe Stunde in kaltes Wasser einlegen, das sie zwei- oder dreimal wechseln. Die Wässerung hat – Sie ahnen es – den Sinn, die Urin-Noten loszuwerden, die den Nieren gelegentlich anhaften, statt Wasser können Sie alternativ Milch verwenden.

Die Zubereitung der Sauren Nierle ist kein Hexenwerk. Wälzen Sie die nach dem Wässern wieder abgetrockneten Stücke in Mehl, bis sie gleichmäßig von einer dünnen Schicht überzogen sind und braten sie an. Das Mehl behindert dabei den Wasseraustritt, bildet eine leicht knusprige Hülle und unterstützt die Bindung der Sauce. Sobald die Nieren rundum angebraten sind, geben Sie feingehackte Zwiebeln zu, braten sie eine Weile mit und gießen dann Flüssigkeit zu. Zum einen das namensgebende Saure, in diesem Fall Essig, zum anderen Brühe, idealerweise vom Kalb oder Rind. Da Saures fast immer gewinnt, wenn es mit Süße ausbalanciert wird, kommt in der Regel noch ein Löffel Preiselbeermarmelade dazu (es darf auch eine andere Frucht sein), typisch ist außerdem die Dreingabe von etwas Senf. Die Flüssigkeit entwickelt sich durchs Einkochen und die Mehlunterlage sehr schnell zur sämigen Sauce, vom Anbraten bis zu den fertigen Nierle dauert es kaum zehn Minuten. Was insofern passt, als Nieren durch zu langes Kochen hart werden und nicht mehr schmecken.

Im Rohzustand mögen Nieren strukturell am ehesten Leber ähneln, gegart gibt es hingegen wenig Überschneidungen. Die Nieren sind glatter, fester und elastischer, der Biss bleibt dennoch zart (so sie korrekt gegart wurden). Was ihnen komplett abgeht, ist der mürbe, »leberige« Charakter, der sich interessanterweise auch in gänzlich leberfernem Muskelfleisch mitunter zeigt, etwa Taubenbrust oder Rehrücken.

Begleiter

Zumindest in Schwaben gibt es zu Sauren Nierle normalerweise Kartoffeln, die irgendwie mit Röstflächen ausgestattet wurden. Die Verbindung funktioniert prima, ist aber nicht zwingend. Kartoffelpüree oder -knödel schmecken ebenfalls gut dazu, auch gegen die in Bayern beliebte Kombination mit Semmelknödeln ist absolut nichts einzuwenden.

Saure Nierle, angerichtet mit Bratkartoffeln

Rezept2 Personen

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Saure Nierle

  • 350 g Kalbs- oder Schweinenieren
  • 250 ml Kalbs- oder Rinderbrühe
  • 1 mittelgroße Zwiebel
  • 2 EL Mehl
  • 2 EL Balsamessig
  • 1 EL scharfer Senf
  • 1 EL Preiselbeermarmelade
  • Petersilie zum Bestreuen
  • Öl oder Butterschmalz zum Braten
  • Salz, Pfeffer

Nieren kalt abspülen, längs aufschneiden und die weiß verästelten Harnwege komplett entfernen. Nierenhälften in 2 cm große Stücke schneiden und 30 Minuten in reichlich kaltes Wasser legen. Wasser in dieser Zeit zwei- bis dreimal wechseln.

Zwiebel schälen und in feine Würfel schneiden. Nieren mit Küchenpapier trocken reiben, Mehl darüber streuen und mit den Nierenstücken vermengen, bis sie rundum gleichmäßig dünn eingemehlt sind.

Öl oder Butterschmalz auf höchste Stufe erhitzen und Nieren darin anbraten, bis die Oberflächen geschlossen sind. Hitze etwas runterschalten, Zwiebeln zugeben und mitbraten, bis sie goldgelb sind. Salzen, mit Essig ablöschen, Brühe zugießen. 3 – 4 Minuten kochen lassen, dann Senf sowie Preiselbeer­marmelade unterrühren und 1 – 2 Minuten weiterkochen, bis die Sauce sämig eingekocht ist. Mit Salz und ggf. Balsamessig abschmecken – die Sauce soll ausgeprägt süß-säuerlich schmecken.

1 Nur so zum Vergleich: Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Innereien insgesamt liegt in Deutschland bei gerade mal 150 Gramm, gegenüber 60 Kilogramm »normalem« Fleisch. Dass man sie dem Metzger aus den Händen reißt, lässt sich also nicht behaupten.

Kontext

4 Kommentare

  • Dietmar Schubert # 1 – 03.04.21, 16:57 Uhr

    Hallo ,
    ich habe soeben ihr Saure Nierle Rezept gelesen.
    Dabei fiel mir ihre sehr negative Meinung über die schwäbische Küche auf. Die schwäbische Küche beheimatet doch viele Köstlichkeiten: Linsen und Spätzle, Gaisburger Marsch, Schwarzwälder Schinken, Sauerkraut mit Schupfnudeln, natürlich die fantastischen Maultaschen, Saure Kutteln, Spätzle in jeglicher Form, schwäbischer Sauerbraten, Rostbraten, schwäbischer Kartoffelsalat, Saure Kartoffelrädle und vieles mehr.
    Soviel zur "wenig beliebten" schwäbischer Küche.
    Mit freundlichem Gruß
    Dietmar Schubert

    • Ralf Schmid # 1.1 – 03.04.21, 17:22 Uhr

      Meine Meinung zur schwäbischen Küche ist mitnichten negativ, da haben Sie wohl was in den falschen Hals bekommen. Wenn Sie aber mal durch nichtschwäbische Gebiete tingeln und Dinge wie Saure Nierle oder Linsen mit Spätzle anpreisen, wird der Zuspruch deutlich sparsamer ausfallen als im Schwabenland. Selbst in einer Stuttgarter Mensa musste ich erleben, dass Leute protestierend aufstanden und den Tisch wechselten, als ich mit meinem Teller Linsen Platz nahm. Ich teile Ihre Begeisterung durchaus, glaube aber, dass diese in der Breite nicht mehrheitsfähig ist, sofern es sich nicht gerade um Jedermanns-Lieblinge wie Maultaschen oder Kartoffelsalat handelt.

  • Silvia Broß # 2 – 15.06.22, 18:45 Uhr

    Guten Abend,
    auf Ihren Seiten tummele ich mich jetzt schon seit Stunden.
    Es sind soooo tolle Rezepte und Anregungen dabei, ich bin restlos begeistert und
    unser Drucker läuft sich gerade heiß.
    Bei einigen der hier oben aufgeführten Gerichte der schwäbischen Küche, muss ich als Rheinländerin aber auch passen. Teilweise hört sich das für mich gewöhnungsbedürftig an.
    Allerdings kenne ich Saure Nierchen, wie sie meine Mutter früher nannte, schon aus Kindertagen und ich hab sie immer sehr geliebt. Jetzt, mit diesem Rezept, habe ich den Mut sie endlich zu versuchen, denn ein Rezept dazu hat mir meine Mutter leider nicht hinterlassen.
    Mal sehen, was meine Familie dazu sagen wird.
    Liebe Grüße und herzlichen Dank und ich hoffe, Sie werden nie fertig :)
    Silvia Broß

    • Ralf Schmid # 2.1 – 15.06.22, 19:49 Uhr

      Vielen Dank für Ihre Lobudeleien, freut mich, dass ich Sie über Stunden bei der Stange halten konnte. Gewöhnungsbedürftig sind wohl auch viele Gerichte aus anderen Küchen, ich selbst zucke beispielsweise bei Gebärmutter und Schweine-Aorta zusammen, die Sie bei bei vielen Chinesen kaufen können, auch für den Verzehr von Insekten kann ich mich bislang gar nicht erwärmen. Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht – das bringt der Volksmund schon ganz gut auf den Punkt. Solange einem dabei nichts fehlt, ist das ja auch leicht zu verschmerzen, und alles andere lässt sich wahrscheinlich im richtigen Moment am richtigen Ort überwinden. Wenn Sie aber Nierchen bereits als Kind nicht nur runtergebracht, sondern sogar geliebt haben, sollte das Wiederaufgreifen ja kein Problem sein. Ich wünsche jedenfalls gutes Gelingen und dass die Familie tapfer mitzieht.

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