Mürbeteig
- EN shortcrust, shortpastry
- FR pâte brisée
- ES pastaflora
- IT pasta frolla
Wenn Sie spaßhalber mal herumfragen, was Leuten zu Mürbeteig als erstes einfällt, lauten die häufigsten Antworten wahrscheinlich Kekse, Tortenböden, Obst- oder Käsekuchen. Halten Sie sich in Frankreich auf, läuft es vermutlich eher auf Quiches oder Tartes hinaus, in der Schweiz womöglich auf Wähen und in England auf Pies. Auffälliger Unterschied ist, dass Mürbeteig (oder Mürbteig, wie er regional genannt wird) hierzulande vorzugsweise für Süßgebäck herangezogen wird, während er in anderen Küchen mindestens so oft mit Gemüse, Fleisch, Geflügel und Fisch in Verbindung gebracht wird.
Neben Hefe- und Blätterteig ist Mürbeteig der Dritte im Bunde der Teige, mit denen Sie wirklich eine Menge machen können. Von den drei Genannten lässt er sich mit Abstand am schnellsten und einfachsten herstellen, gleichzeitig kann er ein ungeahntes Maß an Raffinesse entfalten, sofern Sie ein paar wichtige Gesetzmäßigkeiten beachten.
Zutaten und Zubereitung
Mürbe ist das Gegenteil von knusprig oder knackig und Mürbeteig heißt nicht von ungefähr so. Er besteht überwiegend aus Mehl und einem beträchtlichen Anteil Fett (meistens Butter), dazu können Flüssigkeiten, Eier, Salz, Zucker oder Gewürze kommen, niemals jedoch Lockerungsmittel wie Backpulver oder Hefe. Der Teig ist gänzlich unelastisch und verhält sich wie Knetmasse: Sie rollen ihn aus und er bleibt genau so liegen – ohne jeden Drang, sich wieder zusammenzuziehen.
Das Verhältnis der Zutaten kann variieren, wobei sich jede Variation erheblich aufs Ergebnis auswirkt.1 Mürbeteig wird mitunter auch 1-2-3-Teig genannt, was auf eine von vielen als »normal« empfundene Bemessung verweist: 3 Teile Mehl, 2 Teile Fett, 1 Teil Zucker. Diese Proportionen führen zu einem unzweifelhaft guten Teig, der sich aufgrund des nicht zu knappen Zuckereinsatzes freilich nur für dezidiertes Süßgebäck eignet.
Nachdem ich mich lange und ausführlich mit Mürbeteigen beschäftigt habe, bin ich letzten Endes bei einer kaum noch weiter zu vereinfachenden Methode hängen geblieben, die für alle Quiches, Tartes, Kuchen etc. wunderbar funktioniert. Obwohl der Teig keinen Zucker enthält, schmeckt er auch mit süßen Füllungen in vielen Fällen besser als gesüßte Varianten. Die besagte Raffinesse hat vorrangig mit der Textur des gebackenen Teiges zu tun, die mühelos zu erreichen ist, aber ein sorgfältiges Arbeiten voraussetzt.
- Zwei klare Ansagen vorab: Kommen Sie erstens nicht auf die Idee, Margarine oder Milchstreichfett statt Butter zu verwenden – das Gebäck bliebe damit geschmacklich weit unter seinen Möglichkeiten. Vergessen Sie zweitens alle Maschinen.
- Homogenität ist gerade nicht erwünscht. Wenn sich Mehl und Fett nicht innig miteinander vermischen, sondern Inseln bilden, die mal mehr und mal weniger fett- bzw. mehllastig ausfallen, entsteht im fertigen Gebäck eine leicht blättrige Struktur, die beim Kauen einigen Spaß bereitet. Dafür müssen Sie eine kontrollierte Schlampigkeit walten lassen, indem Sie den Teig, nachdem Flüssigkeit zugeführt wurde, möglichst wenig kneten, sondern die Zutaten nur zackig und lose so weit zusammenschieben, dass Sie den Teig an einem Stück in die Kühlung geben können. Dass eine Rührmaschine vor diesem Hintergrund keine Option sein kann, sollte einleuchten.
- Lassen Sie den Teig ausreichend lange ruhen. Viele Anleitungen empfehlen gerade mal 30 – 60 Minuten, was je nach Rezept dazu führen kann, dass der Teig beim Ausrollen bricht und bröselt. Nach 8 – 24 Stunden Ruhezeit erweist er sich hingegen als absolut geschmeidig und macht, was Sie wollen.
- 200 g Weizenmehl, Type 405
- 100 g Butter, kühl
- 1/2 TL Salz
- 50 ml eiskaltes Wasser
Mehl auf Backbrett, Tischplatte oder in geräumige Teigschüssel sieben, Salz zugeben und die in Würfel geschnittene Butter mit dem Mehl verkneten, bis sich streuselartige Kügelchen gebildet haben.
Wasser zugießen und sehr zügig einarbeiten. Dabei den Teig nach Möglichkeit nicht mehr kneten, sondern eher zur Mitte hin schieben und drücken, bis er gerade eben zusammenhält.
Teig in Folie einschlagen und mindestens 2 Stunden, besser 8 – 24 Stunden im Kühlschrank ruhen lassen. 30 Minuten vor dem Weiterverarbeiten aus der Kühlung nehmen, damit er sich geschmeidig ausrollen lässt.
Mürbeteig lässt sich problemlos einfrieren, der Unterschied zwischen frischem und aufgetautem Teig ist kaum zu schmecken. Sie sollten den Teig allerdings erst nach der Ruhezeit tiefkühlen.
1 Eine Erhöhung des Fettanteils macht das Gebäck feiner, dasselbe gilt für die Zugabe von Eigelb, während Eiweiß den Teig verflüssigt und für trockeneres, härteres Gebäck sorgt. Zucker kann, zumal wenn er zu grob ist, dem Teig Feuchtigkeit entziehen und das Gebäck brüchig machen.
Kontext
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8 Kommentare
MIcha # 1 – 25.09.21, 11:10 Uhr
Ich bin so glücklich, dass ich die Seite wiedergefunden habe. Mein PC gestohlen und alle Favoriten weg. Und dieser Blog ist ein Topfavorit! Informativ lecker. Was will man mehr?!
Grüße MIcha
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Ralf Schmid # 1.1 – 26.09.21, 14:42 Uhr
Danke fürs Lob, trotz des ärgerlichen Anlasses. Es ist wirklich eine interessante Frage, was eigentlich schwerer wiegt: geklaute Hardware oder entschwundene Informationen.
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Rolf Hage # 2 – 29.04.22, 10:06 Uhr
DANKE ! Das ist das Beste, was ich bisher über Mürbeteig gefunden habe !!! Sowohl was das Rezept angeht als die inhaltlichen Ausführungen. Und ich habe umfangreich recherchiert.
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Jürgen Quensel # 3 – 06.11.22, 12:55 Uhr
Danke für diesen Artikel.
Was mir fehlt, sind Hinweise, wie ein gutes Mengenverhältnis aussieht, wenn Zucker zum Einsatz kommt (beim Backen von Keksen ist Zucker, zumindest in bescheidenen Mengen, kaum verzichtbar).
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Ralf Schmid # 3.1 – 06.11.22, 16:26 Uhr
Die Hinweise finden sich recht präzise im vierten Absatz: Stichwort »1-2-3-Teig«.
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Jürgen Quensel # 3.2 – 07.11.22, 11:59 Uhr
Danke, das habe ich sehr wohl gelesen, allerdings wollte ich keinen 1-2-3-Teig, sondern weniger Zucker. Bleibt also nur: Selber probieren.
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Ralf Schmid # 3.3 – 07.11.22, 12:31 Uhr
Wenn Sie sagen wir 200 Gramm Mehl nehmen, beträgt der Zuckeranteil 50 Gramm. der Teig ist damit erkennbar, aber maßvoll gesüßt, für die beliebten Mürbeteigplätzchen dürfte er den meisten Menschen gerade richtig erscheinen. Den Zucker zu reduzieren ist aber keinerlei Problem, insofern ja: einfach probieren.
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Jürgen Quensel # 3.4 – 09.11.22, 13:06 Uhr
Danke.
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