Chicken Tikka Masala

Chicken Tikka Masala, Reis, marinierte Gurken
Indisch oder britisch? Egal, Hauptsache es schmeckt: Chicken Tikka Masala

Ob Sie Chicken Tikka Masala der indischen oder britischen Küche zuschreiben ist eine Frage der Perspektive. Als lupenreines Curry mit Huhn drin, das wie alle Currys kein bisschen puristisch, sondern im Gegenteil explizit gewürzlastig ausfällt, ist es methodisch wie geschmacklich eindeutig indisch. Seinen Aufstieg in die oberste Popularitätsliga erfuhr das Gericht indessen ebenso eindeutig in Großbritannien, wo es inzwischen als britisches, vielen sogar als das britische Nationalgericht gilt. Die Begeisterung der Briten für indisches Essen lässt sich leicht herleiten, von der Gründung der Ostindien-Kompanie bis zum Ende des britisch-indischen Kolonialreichs hatten sie immerhin 350 Jahre Zeit, sich daran zu gewöhnen, und es ist nicht anzunehmen, dass die Gewöhnung besondere Probleme bereitete. Angesichts der kulinarischen Einöde, die in weiten Teilen Europas herrschte, muss ihnen die vergleichsweise ausgeflippte indische Küche wie ein endloser Drogentrip vorgekommen sein. So ist es kaum verwunderlich, dass Sie auf der Insel bis heute selten mehr als wenige hundert Meter bis zum nächsten indischen Restaurant oder Takeaway zurücklegen müssen, deren UK-weiter Gesamtumsatz sich übrigens zu satten 25 Prozent alleine aus dem Verkauf von Chicken Tikka Masala speisen soll.

Im Gegensatz zur Schuld hat der Erfolg bekanntlich viele Väter, im Fall des Chicken Tikka Masala drängeln sie sich geradezu. Einer der lautesten ist Ahmed Aslam Ali, der das Gericht in den 1970er-Jahren in seinem Glasgower Restaurant »Shish Mahal« kreiert haben will, als ein Gast über die Trockenheit des ihm vorgesetzten Huhns lamentierte. Just zu diesem Zeitpunkt nahm Ali aufgrund eines Magengeschwürs nur Flüssigkeiten zu sich und hatte deshalb unter anderem eine Tomatensuppe herumstehen, die er zusammen mit ein paar Gewürzen nutzte, um das trockene Huhn zu befeuchten. Der Nörgler zeigte sich davon dermaßen euphorisiert, dass er all seine Bekannten ins Shish Mahal schleppte, bis die Kunde vom Superhuhn – damals noch ohne Twitter und Facebook – endlich viral ging, wie man heute sagen würde. Zaeemuddin Ahmad, Koch und Co-Leiter des Delhier Hotels »Karim«, hält diese Geschichte hingegen für absurd und das Gericht für eine Zubereitung aus dem nordindischen Mogulreich, dessen Rezept in seiner Familie über Generationen vererbt wurde, während der Food-Journalist Rahul Verma die Auffassung vertritt, Chicken Tikka Masala sei vor etwa 40 bis 50 Jahren im Punjab enstanden und periodisch verändert worden. Dem widersprechen die Food-Historiker Colleen und Peter Grove, die seine Erfindung nahezu sicher in Großbritannien verorten, vollzogen von einem bengalischen Koch unbekannten Namens. So könnte man noch Stunden weitererzählen, ohne dass etwas entfernt Beweisähnliches darunter wäre – ein schönes Beispiel für das reine Geschwafel, aus dem die kulinarische Geschichtsschreibung weitenteils besteht, aber wenigstens genügend Stoff liefert, um bei Tisch für Unterhaltung zu sorgen.

Zutaten und Zubereitung

Unstrittig ist der Ausgangspunkt des Gerichts, der sich im Begriff Tikka niederschlägt: Fleisch wird in Stücke geschnitten, mariniert und anschließend im Tandoor-Ofen gegart, ähnlich dem ebenfalls beliebten Tandoori Chicken. Wird Letzteres jedoch in der Regel trocken angerichtet, ist Chicken Tikka Masala von einer cremigen, rotbraunen Sauce aus Tomaten, Sahne, Joghurt und Gewürzen umhüllt. Ohne die Kreation kleinreden zu wollen, findet sich ein vergleichbarer Aufbau in so ziemlich jeder südasiatischen Küche, schon aus diesem Grund ist es praktisch unmöglich, das Gericht zweifelsfrei einer einzigen Quelle zuzuordnen.

Chicken heißt in diesem Fall fast durchweg Hühnerbrustfilet. Die Freude am mageren, abstrahierten Hühnchenfleisch wird leider getrübt durch seinen Hang zur Trockenheit, dem Preis, den die Abwesenheit von Fett nun mal kostet. Dass die Joghurtmarinade das Fleisch »saftig« macht, wird auch beim hundertsten Behaupten nicht wahrer. Der zu erwartende Maximaleffekt besteht darin, dass die Marinade eine Schutzschicht zwischen Hitze und Fleisch bildet und den Wasserverlust so geringfügig schmälert. Wenn schon Hühnerbrust, wäre es besser, die fettreiche Haut bliebe dran, die im Saucenbad allerdings gummiartig enden würde, was jetzt auch nicht so toll ist. Bleibt also noch, die Einwirkung der Hitze so kurz wie möglich zu halten. Tandoor-Öfen erreichen Temperaturen bis zu 480 °C und die Hitze strahlt von allen Seiten aufs Fleisch, entsprechend schnell ist es gar. Da nur wenige mitteleuropäische Haushalte mit solchen Geräten ausgestattet sind, empfehlen die meisten Rezepte, die Brust stattdessen zu grillen. Wenn Sie über einen »echten« Grill verfügen, ist das in der Tat die beste Lösung, wohingegen es zumindest mir nicht gelingt, mit dem Backofengrill zu befriedigenden Resultaten zu gelangen, weswegen ich die Pfanne hier klar vorziehe. Für die sinnvollste Maßnahme halte ich allerdings einen Materialwechsel: Nehmen Sie Hühnerkeulen statt -brüste. Ihr Fleisch ist ungleich saftiger und schmeckt ungefähr drei- bis viermal so gut.

Der Rest ist beherrschbar. Sie stellen zunächst einen unkomplizierten Saucenansatz her, dann grillen oder braten Sie das marinierte Fleisch, das Sie anschließend in die Sauce geben, der Sie mit der restlichen Marinade und etwas Sahne den letzten Schliff verpassen. Dazu reichen Sie Reis oder Naan-Brot und alle sind glücklich.

Chicken Tikka Masala, Reis, marinierte Gurken

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Chicken Tikka Masala

  • 400 g Hähnchenfleisch, ohne Haut, Keule oder Brust
  • 100 g Joghurt, 3,8 % Fett
  • 1 mittelgroße Zwiebel
  • 1/2 Bund Koriandergrün, idealerweise mit Wurzeln
  • 2 EL Tomatenmark
  • 30 g Cashewnüsse oder Mandeln
  • 50 ml Sahne
  • 1 – 2 EL Limettensaft
  • Butter, Öl

Gewürzpaste

  • 3 mittelgroße Knoblauchzehen
  • 35 g frischer Ingwer
  • 1 rote Chilischote oder 1 TL Chilipaste
  • 1/2 EL braune Senfkörner
  • 1/2 EL Paprika, edelsüß
  • 1 TL Kreuzkümmel
  • 1 TL Koriandersamen
  • 1/2 EL Garam Masala

Knoblauch und Ingwer schälen, beides fein reiben oder hacken. Chilischote ebenfalls fein hacken.

Senfkörner in wenig Öl zugedeckt anrösten, bis sie aufplatzen und (hörbar) gegen den Deckel geschleudert werden. Zusammen mit dem Kreuzkümmel und den Koriandersamen fein mörsern, mit Paprikapulver, Garam Masala, Ingwer, Knoblauch und Chili zu Paste verrühren.

Die Hälfte der Gewürzpaste mit dem Joghurt vermengen, Hühnerfleisch in 3 – 4 cm große Stücke schneiden und mindestens 30 Minuten, bessser 1 – 2 Stunden in der Joghurt-Gewürzmischung marinieren.

Zwiebel schälen und in feine Streifen schneiden. Cashewnüsse trocken anrösten und fein mahlen. Korianderstängel und -wurzeln fein hacken.

Einen guten Stich Butter erhitzen, Zwiebeln sowie Korianderstängel und -wurzeln darin sanft anschwitzen, bis die Zwiebeln weich und goldgelb sind. Die zweite Hälfte der Gewürzpaste unterrühren und 1 – 2 Minuten mitbraten.

Tomatenmark, Cashewnüsse und 250 ml Wasser zugeben, salzen und 2 – 3 Minuten köcheln lassen bis die Sauce homogen sämig ist. Sauce beiseite stellen.

Mariniertes Hühnerfleisch auf dem Grill oder in der Pfanne knapp durchbraten (es gart in der Sauce noch etwas nach). Ggf. übrig gebliebene Marinade behalten.

Sauce wieder auf den Herd ziehen, Sahne einrühren und kurz aufkochen lassen, Fleisch einlegen, Sauce mit Salz und Limettensaft abschmecken. Vom Herd nehmen und die übrig gebliebene Marinade einrühren, Sauce danach nicht mehr kochen.

Beim Anrichten mit fein geschnittenem Koriandergrün bestreuen.

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