Gaisburger Marsch

Gaisburger Marsch, Eintopfgericht der schwäbischen Küche aus Rinderbrühe, Rindfleisch, Kartoffeln, Spätzle und Gemüse
Gaisburger Marsch, eines der Flaggschiffe schwäbischer Küche: Rindfleisch, Kartoffeln, Spätzle und fürs gute Gewissen noch ein wenig Grünzeug

Anders als man vermuten könnte, ist der Gaisburger Marsch keine Maßnahme zur Streckenüberwindung, sondern ein Eintopfgericht der schwäbischen Küche. Wie es zu seinem beknackten Namen kam, ist nicht ganz klar, unstrittig ist nur der Ort: Gaisburg war bis 1901 eine eigenständige Gemeinde und ist seither ein Stadtteil im Osten Stuttgarts. Die verbreitetere Legende lautet, dass Stuttgarter Offiziersanwärter im 19. Jahrhundert zur nahe ihrer Kaserne gelegenen Gaisburger Gaststätte Bäckerschmide marschierten, wo der Eintopf serviert wurde. Eine konkurrierende Version behauptet hingegen, Gaisburger Männer hätten sich (wann und wo auch immer) in Kriegsgefangenschaft befunden, was sich insofern gut aushalten ließ, als es ihren Frauen gestattet gewesen sei, täglich eine Schüssel des so schmack- wie nahrhaften Gerichts vorbei zu bringen. Blöd ist, dass wenn bei zwei Geschichten nicht geklärt werden kann, welche stimmt, rein logisch noch die dritte Möglichkeit besteht, dass beide Humbug sind. Der Museumsverein Stuttgart-Ost sah das ähnlich und wollte es 2009 anlässlich einer Ausstellung genau wissen. Neben weiteren netten Legenden stießen die Ausstellungsmacher auf die erste belegbare Namensnennung 1933 in einem Artikel des Stuttgarter Tagblatts, der für den »Eintopfsonntag« warb, einer Aktion der NS-Sozial- und Propagandaeinrichtung Winterhilfswerk.1

Immerhin: Unter dem Namen Kartoffelschnitz und Spätzle war das Gericht nachweislich bereits im 19. Jahrhundert bekannt und die Gaststätte Bäckerschmide existierte noch bis vor einigen Jahren.

Pflicht und Kür

Gaisburger Marsch besteht mindestens aus Rinderbrühe, gekochtem Rindfleisch, Kartoffeln und Spätzle. Wenn Sie etwas auf den Tisch stellen, von dem Sie behaupten, es sei Gaisburger Marsch und diese Zutaten nicht vollständig versammelt sind, wird der reguläre Schwabe Sie freundlichstenfalls auslachen.

Ausschweifungen werden hingegen nicht nur gestattet, sondern meistenteils begrüßt. Häufig wird das Gericht mit Schmelzzwiebeln gekrönt, die in der schwäbischen Küche überhaupt eine bedeutende Rolle spielen, auch Schnittlauchröllchen fehlen selten. Und wenn sich noch ein paar Karottenscheiben oder Lauchstücke in der Suppe finden, ist das auch okay.

Gaisburger Marsch kochen

Für Gaisburger Marsch brauchen Sie kein Rezept. Sie stellen zunächst eine anständige Rinderbrühe her, als deren Nebenprodukt Sie gekochtes Rindfleisch erhalten. Ferner müssen Sie irgendwie zu Spätzle gelangen und benötigen Kartoffeln, die Sie schälen, in mundgerechte Würfel oder Scheiben schneiden und weichkochen. Dasselbe gilt für eventuelle Ergänzungen wie Karotten etc. Wichtig ist, dass alle Zutaten nicht in der Brühe, sondern separat gegart werden, weil die Brühe sonst bald nicht mehr besonders gut aussähe. Während die Einlagen vor sich hinköcheln, haben Sie ausreichend Zeit, sich den Schmelzzwiebeln zu widmen.

Wenn Sie alles beisammen haben, geben Sie Kartoffeln, Spätzle, Gemüse und Fleisch in Teller, gießen heiße Brühe drüber und vollenden das Ganze mit Schmelzzwiebeln und Schnittlauch.

Die genauen Mengen sind nirgends festgeschrieben. Pi mal Daumen befinden sich ungefähr soviel Spätzle wie Kartoffeln im Eintopf und Beschwerden über zuviel Fleisch habe ich noch nie gehört. Falls Ihre Esser die Einlage in der Brühe suchen müssen, ist definitiv zu wenig drin, es soll aber schon noch eine Suppe sein, kein angefeuchteter Kartoffel-, Spätzle- und Fleischhügel.

Leben mit Gaisburger Marsch

Im Gegensatz zu vielen Gerichten, die zwar in schwäbischen Kochbüchern gelistet, in der Realität aber kaum (noch) gegessen werden, steht Gaisburger Marsch nicht nur auf den Karten der meisten schwäbisch kochenden Restaurants, sondern wird auch in Privatküchen gern und oft zubereitet.

Wer das Gericht nicht kennt, mag vielleicht den Kopf schütteln ob der leicht bizarren Kartoffel-Spätzle-Kombination, tatsächlich schmeckt der Eintopf aber wunderbar stimmig – seine Beliebtheit kommt also nicht von ungefähr.

2 Kommentare

  • Dagmar # 1 – 11.11.21, 19:40 Uhr

    Stimmig ist der richtige Ausdruck für dieses köstliche Mahl, das sogar mein suppeverweigender Ehemann als vollwertige Mahlzeit anerkennt ???? Viele Grüße Dagmar

    • Ralf Schmid # 1.1 – 11.11.21, 20:53 Uhr

      Suppeverweigernd? Krass. Dass man Angst hat, von flüssiger Nahrung nicht satt zu werden, okay, aber gleich verweigern? Nur gut, dass das Flüssige beim Gaisburger Marsch nicht so auffällt.

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